Was ist ein Hexenschuss?
Beim Hexenschuss handelt es sich um plötzlich auftretende, starke Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Der Begriff „unspezifisch“ bedeutet, dass in den meisten Fällen keine ernsthafte, spezifische Ursache wie ein Bandscheibenvorfall mit Nervenwurzelkompression, eine Fraktur oder eine Entzündung gefunden wird [1]. Stattdessen sind meist funktionelle Störungen wie Muskelverspannungen, Blockaden der kleinen Wirbelgelenke oder eine Reizung von Bändern die Auslöser. Diese schmerzhafte Verspannung der Rückenmuskulatur ist oft eine Schutzreaktion des Körpers auf eine ungewohnte oder abrupte Bewegung. Obwohl der Schmerz beängstigend sein kann, ist er in der Regel harmlos und heilt meist von selbst ab.
Was zeigt die Evidenz?
Die wissenschaftliche Evidenz zur Behandlung des akuten Hexenschusses ist umfangreich und in nationalen wie internationalen Leitlinien zusammengefasst. Eine zentrale Botschaft lautet: Aktiv bleiben ist der Schlüssel zur Besserung. Früher empfohlene strikte Bettruhe gilt heute als kontraproduktiv, da sie zu mehr Schmerzen und einer längeren Genesungsdauer führen kann [2].
Systematische Übersichtsarbeiten und Leitlinien empfehlen eine Kombination aus Bewegung und, falls nötig, kurzzeitiger Schmerztherapie [3]. Für die medikamentöse Behandlung kommen nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac infrage. Eine Cochrane-Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2020 zeigte, dass NSAR bei akuten Kreuzschmerzen kurzfristig eine geringfügig bessere Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung bewirken als ein Placebo. Allerdings war dieser Effekt klein und möglicherweise klinisch nicht bedeutsam [4]. Zudem ist die Evidenz für die Sicherheit von NSAR, insbesondere bei längerer Anwendung, begrenzt. Daher sollten sie nur bei Bedarf, in der niedrigsten wirksamen Dosis und für eine möglichst kurze Zeit eingenommen werden. Ergänzend können Wärmeanwendungen zur Muskelentspannung beitragen. Behandlungen wie die Physiotherapie können ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, um die Beweglichkeit zu fördern und die Muskulatur zu kräftigen.
Praxisbox: Soforthilfe bei Hexenschuss
- In Bewegung bleiben: Vermeiden Sie strikte Bettruhe. Leichte Aktivitäten wie Spazierengehen fördern die Durchblutung und helfen, die Muskelverspannungen zu lösen.
- Wärme anwenden: Eine Wärmflasche, ein warmes Bad oder Wärmepflaster können die verkrampfte Muskulatur im unteren Rücken entspannen und die Schmerzen lindern.
- Stufenlagerung: Legen Sie sich auf den Rücken und lagern Sie die Unterschenkel im rechten Winkel auf einem Stuhl oder Kissenstapel. Diese Position entlastet die Lendenwirbelsäule.
- Schmerzmittel überdenken: Bei starken Schmerzen können rezeptfreie Schmerzmittel (NSAR) kurzzeitig helfen. Besprechen Sie die Einnahme jedoch idealerweise mit Ihrem Arzt oder Apotheker.
Sicherheitsbox: Wann zum Arzt?
- „Rote Flaggen“ beachten: Suchen Sie sofort einen Arzt auf bei Lähmungserscheinungen, Taubheitsgefühlen in den Beinen, im Genital- oder Analbereich sowie bei unkontrollierbarem Harn- oder Stuhlabgang (Inkontinenz). Dies können Anzeichen eines Notfalls sein, z.B. eines schweren Bandscheibenvorfalls [5].
- Weitere Warnzeichen: Ärztliche Abklärung ist ebenfalls ratsam bei Fieber, unerklärlichem Gewichtsverlust, starken, nächtlichen Schmerzen oder wenn die Schmerzen nach einem Unfall auftraten.
- Keine Besserung: Wenn die Schmerzen sich nicht innerhalb von drei Tagen spürbar bessern oder sogar zunehmen, sollten Sie ärztlichen Rat einholen.
- Rechtlicher Hinweis: Dieser Artikel dient nur der Information und ersetzt keine ärztliche Beratung. Bei gesundheitlichen Beschwerden konsultieren Sie bitte immer einen Arzt oder eine andere qualifizierte medizinische Fachperson.
Fazit
Ein Hexenschuss ist schmerzhaft und einschränkend, aber in den meisten Fällen harmlos und von kurzer Dauer. Die wichtigste Maßnahme ist, aktiv zu bleiben und den normalen Alltagsaktivitäten so gut wie möglich nachzugehen. Unterstützende Maßnahmen wie Wärme und eine kurzzeitige, bedachte Einnahme von Schmerzmitteln können die Genesung begleiten. Das Wissen um die meist positive Prognose und das Vertrauen in den eigenen Körper sind Teil der mentalen Stärke, die den Heilungsprozess im gesunden Herbst unterstützt. Langfristig kann gezieltes Training der Rumpfmuskulatur, wie es in der Physiotherapie angeleitet wird, helfen, zukünftigen Episoden vorzubeugen.
Hinweis: Dieser Beitrag informiert und ersetzt keine medizinische Beratung oder Behandlung.
Quellen & Forschungsstand
- Nationale VersorgungsLeitlinie Nicht-spezifischer Kreuzschmerz (2017): Diese S3-Leitlinie ist die zentrale deutsche Referenz, auch wenn sie sich in Überarbeitung befindet. Sie betont die Bedeutung der Aktivierung und warnt vor unnötiger Diagnostik. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/nvl-007
- Pengel, L. H. M. et al. (2003). Acute low back pain: systematic review of its prognosis. Eine wegweisende Übersichtsarbeit, die zeigt, dass die meisten Patienten sich schnell erholen, aber Restbeschwerden häufig sind. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC169642/
- Zhou, T. et al. (2024). Recent clinical practice guidelines for the management of low back pain: a global comparison. Eine aktuelle globale Analyse von 22 Leitlinien, die die Kernempfehlungen für akuten Kreuzschmerz (NSAR, Bewegung, manuelle Therapie) bestätigt. https://bmcmusculoskeletdisord.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12891-024-07468-0
- van der Gaag, W. H. et al. (2020). Non-steroidal anti-inflammatory drugs for acute low back pain. Eine Cochrane-Metaanalyse, die die Wirksamkeit von NSAR als gering, aber statistisch signifikant einstuft und auf die begrenzte Evidenz zur Langzeitsicherheit hinweist. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7161726/
- Kantonsspital Baden (2024). Hexenschuss: Mit diesen Symptomen zum Arzt. Ein laienverständlicher Artikel, der die „Roten Flaggen“ und Notfallsymptome klar benennt und erklärt. https://www.kantonsspitalbaden.ch/artikel/hexenschuss-mit-diesen-symptomen-zum-arzt