Was ist eine Panikattacke?
Eine Panikattacke ist eine abrupte Welle intensiver Angst oder starken Unbehagens, die innerhalb weniger Minuten ihren Höhepunkt erreicht. So definiert es die aktuelle deutsche S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen, die höchste wissenschaftliche Evidenzstufe [1]. Es handelt sich nicht um eine bloße Einbildung, sondern um eine sehr reale und körperlich spürbare Erfahrung. Betroffene beschreiben sie oft als Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, einen Herzinfarkt zu erleiden oder gar zu sterben. Obwohl eine einzelne Panikattacke meist nach 10 bis 30 Minuten wieder abklingt, kann die Angst vor der nächsten Attacke – die sogenannte Erwartungsangst – zu einem ständigen Begleiter werden und die Lebensqualität stark einschränken. Entwickelt sich daraus ein Vermeidungsverhalten und treten die Attacken wiederholt auf, sprechen Fachleute von einer Panikstörung, einer Form der Angststörung.
Was zeigt die Evidenz?
Die moderne Forschung zeichnet ein immer klareres Bild davon, was bei einer Panikattacke im Körper geschieht. Im Zentrum des Geschehens steht ein Bereich im Gehirn, der als Amygdala bekannt ist. Man kann sie sich als das Alarmsystem des Körpers vorstellen. Systematische Reviews und neurobiologische Studien zeigen, dass dieses System bei Menschen mit Panikneigung überempfindlich reagiert [2, 3]. Es schlägt Alarm, obwohl keine reale Gefahr besteht.
Dieser Fehlalarm löst eine Kettenreaktion aus. Die Amygdala aktiviert das autonome Nervensystem, genauer gesagt den Sympathikus. Dieser ist für die „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion zuständig und setzt schlagartig Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin frei. Gleichzeitig gerät das Gleichgewicht wichtiger Botenstoffe (Neurotransmitter) wie Serotonin und Gamma-Aminobuttersäure (GABA) durcheinander, was die Angstreaktion weiter verstärkt [3].
Die Folgen sind die typischen körperlichen Symptome einer Panikattacke: Das Herz beginnt zu rasen, um den Körper mit vermeintlich benötigtem Sauerstoff zu versorgen. Die Atmung wird schnell und flach (Hyperventilation), was zu Schwindel, Kribbelgefühlen und dem Gefühl der Atemnot führen kann. Die Muskeln spannen sich an, was zu Zittern führt, und Schweiß bricht aus, um den Körper zu kühlen. All diese Reaktionen wären in einer echten Gefahrensituation überlebenswichtig. Bei einer Panikattacke laufen sie jedoch ins Leere und werden von den Betroffenen als bedrohlich und unkontrollierbar wahrgenommen, was die Angst in einem Teufelskreis weiter schürt. Dieser Prozess ist ein gutes Beispiel dafür, wie eng mentale Gesundheit und körperliche Prozesse miteinander verwoben sind und wie auch chronischer Stress solche Reaktionen begünstigen kann.
Praxisbox: Soforthilfe bei einer Panikattacke
Diese Techniken können helfen, das überaktive Nervensystem zu beruhigen. Sie ersetzen keine professionelle Behandlung, können aber im Akutfall eine wertvolle Stütze sein, um die eigene mentale Stärke im gesunden Herbst zu fördern.
- Bewusstes Atmen: Konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung. Legen Sie eine Hand auf den Bauch und versuchen Sie, tief in den Bauch hinein zu atmen, sodass sich die Bauchdecke hebt. Atmen Sie langsam und kontrolliert aus. Dies aktiviert den Parasympathikus, den Ruhenerv des Körpers.
- Die 4-7-8-Atemtechnik: Atmen Sie 4 Sekunden lang durch die Nase ein, halten Sie die Luft für 7 Sekunden an und atmen Sie dann 8 Sekunden lang hörbar durch den Mund wieder aus. Wiederholen Sie dies einige Male, um den Herzschlag zu verlangsamen.
- Lippenbremse anwenden: Atmen Sie durch die Nase ein und dann langsam und kontrolliert durch die nur leicht geöffneten Lippen wieder aus, als würden Sie eine Kerze auspusten. Das dabei entstehende leise „Pfffff“-Geräusch kann zusätzlich beruhigen und die Ausatmung verlängern.
- Sinneswahrnehmung nutzen (5-4-3-2-1-Technik): Benennen Sie in Gedanken 5 Dinge, die Sie sehen, 4 Dinge, die Sie fühlen (z.B. die Kleidung auf der Haut), 3 Dinge, die Sie hören, 2 Dinge, die Sie riechen, und 1 Ding, das Sie schmecken. Dies lenkt den Fokus von den inneren Körpersymptomen weg und zurück ins Hier und Jetzt.
Sicherheitsbox: Was Sie beachten sollten
- Ärztliche Abklärung: Da die Symptome einer Panikattacke denen eines Herzinfarkts oder anderer ernster Erkrankungen ähneln können, ist eine ärztliche Untersuchung zur Abklärung der Ursachen unerlässlich.
- Keine Selbstdiagnose: Dieser Artikel dient der Information. Eine verlässliche Diagnose kann nur durch einen Arzt oder Psychotherapeuten gestellt werden, der auch andere psychische Erkrankungen wie eine Depression ausschließen kann.
- Grenzen der Selbsthilfe: Atemtechniken sind eine wirksame Soforthilfe, aber bei wiederkehrenden Panikattacken oder einer Panikstörung ist eine professionelle Behandlung, z.B. durch eine kognitive Verhaltenstherapie, gemäß der Leitlinien die Methode der ersten Wahl [1].
- Notfall: Sollte eine Person während einer Panikattacke das Bewusstsein verlieren oder bei Verdacht auf einen medizinischen Notfall, zögern Sie nicht, den Rettungsdienst unter 112 zu rufen.
Fazit
Eine Panikattacke ist eine intensive körperliche und emotionale Erfahrung, die auf einem fehlgeleiteten, aber an sich normalen biologischen Schutzmechanismus beruht. Die Evidenz zeigt klar, dass es sich um eine ernstzunehmende neurobiologische Reaktion handelt und nicht um eine Schwäche. Das Wissen um diese körperlichen Vorgänge kann bereits ein erster Schritt sein, um den Attacken ihren Schrecken zu nehmen. Gezielte Atemtechniken bieten eine wissenschaftlich plausible Methode zur Selbstberuhigung im Akutfall. Sie sind jedoch kein Ersatz für eine professionelle Diagnose und Behandlung, wenn die Panik das Leben dominiert. Sie sind vielmehr ein Werkzeug, um die Selbstwirksamkeit zu stärken und die Kontrolle schrittweise zurückzugewinnen.
Hinweis: Dieser Beitrag informiert und ersetzt keine medizinische Beratung oder Behandlung.
Quellen & Forschungsstand
- S3-Leitlinie Behandlung von Angststörungen (2021): Die offizielle deutsche Leitlinie mit dem höchsten Evidenzgrad fasst den aktuellen Forschungsstand zur Diagnostik und Therapie von Angststörungen, inklusive der Panikstörung, zusammen. Link zur Leitlinie
- StatPearls – Panic Disorder (2023): Ein peer-reviewter Fachartikel, der einen umfassenden Überblick über Epidemiologie, Pathophysiologie und Behandlung der Panikstörung nach internationalen Standards (DSM-5) gibt. Link zum Artikel
- Neurochemical and genetic factors in panic disorder (2024): Ein systematischer Review im Fachjournal Translational Psychiatry, der den Einfluss von Neurotransmittern und genetischen Faktoren auf die Entstehung von Panikstörungen analysiert. Link zum Review
- HelloBetter – Atemübungen bei Panikattacken (2021): Ein von Psychotherapeuten geprüfter Artikel einer Digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA), der die neurobiologischen Grundlagen von Atemtechniken laienverständlich erklärt. Link zum Artikel