Die besten Tees bei Erkältung: Was die Wissenschaft zu Lindenblüten, Holunder & Thymian sagt

Wenn der Hals kratzt, die Nase läuft und der Kopf schmerzt, greifen viele Menschen instinktiv zu einer heissen Tasse Tee. Besonders Kräutertees gelten als wohltuende Begleiter in der kalten Jahreszeit. Doch was ist dran am Mythos Erkältungstee? Dieser Artikel beleuchtet, was die aktuelle wissenschaftliche Evidenz zur Wirksamkeit von Lindenblüten, Holunder und Thymian bei Husten, Schnupfen und Fieber sagt und wie diese pflanzlichen Hausmittel sicher angewendet werden können.

Was ist ein Erkältungstee?

Ein Erkältungstee ist mehr als nur ein heisses Getränk. Er ist ein seit Generationen bewährtes Hausmittel und ein fester Bestandteil der Phytotherapie, der Lehre von der Anwendung von Pflanzen als Heilmittel. Dabei handelt es sich um Aufgüsse (Infusionen) aus getrockneten oder frischen Pflanzenteilen, deren Inhaltsstoffe dazu beitragen sollen, die typischen Symptome einer Erkältung zu lindern. In einer Zeit, in der das Bewusstsein für die Selbstheilungskräfte des Körpers wächst, gewinnt der Erkältungstee an Relevanz. Er ist nicht nur ein Mittel zur Linderung von Beschwerden, sondern auch ein Ritual der Selbstfürsorge, das gerade im oft stressigen Herbst zur mentalen Stärke beitragen kann, indem es Ruhe und Wärme spendet und das Immunsystem auf natürliche Weise unterstützt.

Was zeigt die Evidenz?

Die wissenschaftliche Datenlage zur Wirksamkeit von Kräutertees bei Erkältungen ist gemischt und muss differenziert betrachtet werden. Während für einige Pflanzen robuste klinische Studien existieren, beruht die Anwendung anderer primär auf traditioneller Überlieferung. Es ist wichtig, zwischen belegter Wirksamkeit und traditioneller Anwendung zu unterscheiden.

Besonders gut untersucht ist Thymian (Thymus vulgaris). Seine Hauptwirkstoffe, insbesondere das ätherische Öl Thymol, besitzen nachweislich antivirale, entzündungshemmende und schleimlösende Eigenschaften. Eine hochwertige klinische Studie mit über 360 Teilnehmenden zeigte, dass eine Kombination aus Thymian- und Efeuextrakt Hustenanfälle signifikant wirksamer reduzierte als ein Placebo [1]. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) erkennt Thymian auf Basis dieser Daten und seiner langen Verwendungstradition zur Behandlung von produktivem Husten im Rahmen einer Erkältung an.

Auch für Holunder (Sambucus nigra), speziell für Extrakte aus den Beeren, gibt es überzeugende Belege. Eine Meta-Analyse, die mehrere randomisierte, kontrollierte Studien zusammenfasste, kam zu dem Schluss, dass Holunderbeerextrakt die Dauer und Schwere von Erkältungssymptomen signifikant reduzieren kann [2]. Die Forscher sehen darin eine wirksame und sichere Alternative zu Antibiotika, die bei viralen Infekten ohnehin unwirksam sind, und zu anderen verschreibungspflichtigen Medikamenten. Die Blüten des Holunders, die oft in Tees verwendet werden, sind von der EMA ebenfalls für die traditionelle Anwendung zur Linderung erster Erkältungssymptome anerkannt, auch wenn hier die klinische Evidenz weniger dicht ist als bei den Beeren.

Lindenblüten (Tilia sp.) sind der klassische „Schwitztee“ bei fiebrigen Erkältungen. Ihre Anwendung basiert fast ausschliesslich auf langer Tradition. Die EMA und andere Fachgremien bestätigen diesen traditionellen Gebrauch zur Linderung von Erkältungssymptomen, weisen aber darauf hin, dass es an modernen klinischen Studien fehlt, die diese Wirkung eindeutig belegen [3]. Der diaphoretische, also schweissfördernde Effekt wird traditionell genutzt, um dem Körper zu helfen, die Infektion quasi „auszuschwitzen“.

Diese pflanzlichen Mittel sind keine Wundermittel und ersetzen keine pflanzlichen Antibiotika im medizinischen Sinne, können aber das Immunsystem bei der Abwehr einer Erkältung wertvoll unterstützen.

Thymian

Evidenzgrad: Hoch (Grün)

Wirkmechanismus (belegt oder traditionell): Antiviral, symptomlindernd (klinisch belegt für Beerenextrakt)

Evidenzgrad: Hoch (Grün)

Wirkmechanismus (belegt oder traditionell): Antiviral, schleimlösend, entzündungshemmend (klinisch belegt)

Evidenzgrad: Traditionell (Gelb)

Wirkmechanismus (belegt oder traditionell): Schweissfördernd (diaphoretisch) (traditionelle Anwendung)

Praxisbox: Erkältungstees richtig anwenden

  • Zubereitung: Übergiessen Sie 1–2 Teelöffel der getrockneten Kräuter mit etwa 150 ml kochendem Wasser und lassen Sie den Tee zugedeckt 10–15 Minuten ziehen. Nur so können sich die ätherischen Öle und anderen Wirkstoffe optimal lösen.
  • Dosierung: Trinken Sie mehrmals täglich eine frisch zubereitete Tasse Tee. Die Flüssigkeitszufuhr allein unterstützt bereits die Verflüssigung von Schleim.
  • Kombination: Eine Mischung aus Thymian (für den Husten), Lindenblüten (zum Schwitzen) und Holunderblüten (für das Immunsystem) kann synergistisch wirken.
  • Süssen mit Bedacht: Geben Sie einen Teelöffel Honig erst hinzu, wenn der Tee auf Trinktemperatur abgekühlt ist, um seine wertvollen Enzyme zu erhalten. Honig wirkt ebenfalls beruhigend auf den Hals.

Sicherheitsbox: Was Sie beachten sollten

  • Arztbesuch: Klingen die Symptome nach einer Woche nicht ab, verschlimmern sie sich oder kommt hohes Fieber hinzu, sollten Sie unbedingt einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen.
  • Schwangerschaft & Stillzeit: Viele Kräuter sind in der Schwangerschaft und Stillzeit nicht ausreichend untersucht. Halten Sie vor der Anwendung Rücksprache mit Ihrem Arzt oder Apotheker. Lindenblütentee gilt in Massen als unbedenklich, von Thymian in grösseren Mengen wird eher abgeraten.
  • Kontraindikationen: Personen mit Allergien gegen Lippenblütler (z.B. Thymian) oder andere der genannten Pflanzenfamilien sollten die entsprechenden Tees meiden. Die EMA rät von der Anwendung von Lindenblüten bei Kindern unter 4 Jahren ab, da hierzu keine ausreichenden Daten vorliegen [3].
  • Rechtlicher Hinweis: Dieser Artikel dient nur der Information und ersetzt keine medizinische Beratung. Die Anwendung von Heilpflanzen erfolgt auf eigene Verantwortung. Achten Sie auf pharmazeutische Qualität der Tees aus der Apotheke oder dem Reformhaus.

Fazit: Realistische Erwartungen an die Natur

Erkältungstees aus Thymian, Holunder und Lindenblüten sind eine wertvolle und evidenzbasierte bzw. traditionsreiche Ergänzung zur Linderung von Erkältungsbeschwerden. Während Thymian und Holunderbeeren ihre Wirksamkeit in klinischen Studien unter Beweis gestellt haben, stützt sich die Anwendung von Lindenblüten auf jahrhundertelange Erfahrung. Sie ersetzen keine ärztliche Behandlung bei schweren Verläufen, können aber den Krankheitsverlauf erleichtern, das Wohlbefinden steigern und somit auch die mentale Stärke in der Krankheitsphase fördern. Als Teil eines ganzheitlichen Ansatzes für einen gesunden Herbst sind sie eine sanfte und wirksame Unterstützung aus der Natur.

Hinweis: Dieser Beitrag informiert und ersetzt keine medizinische Beratung oder Behandlung.

Quellen & Forschungsstand

  1. Kemmerich B, Eberhardt R, Stammer H. (2006). Efficacy and tolerability of a fluid extract combination of thyme herb and ivy leaves and matched placebo in adults suffering from acute bronchitis with productive cough. Arzneimittelforschung, 56(9), 652–660. Diese randomisierte, doppelblinde und placebokontrollierte Studie an 361 Patienten ist einer der stärksten klinischen Belege für die Wirksamkeit von Thymian bei Husten. https://doi.org/10.1055/s-0031-1296767
  2. Hawkins, J., Baker, C., Cherry, L., & Dunne, E. (2019). Black elderberry (Sambucus nigra) supplementation effectively treats upper respiratory symptoms: A meta-analysis of randomized, controlled clinical trials. Complementary therapies in medicine, 42, 361-365. Diese Meta-Analyse fasst die Ergebnisse mehrerer hochwertiger Studien zusammen und liefert damit einen starken Evidenzbeweis für die Wirksamkeit von Holunderbeerextrakten. https://doi.org/10.1016/j.ctim.2018.12.004
  3. Karakuş, M. M., et al. (2023). Use of Herbal Tea/Herbal Preparations for Children with Symptoms of Viral Upper Respiratory Infections. Turkish Journal of Pharmaceutical Sciences, 20(1), 8-15. Diese Studie gibt einen Einblick in die verbreitete traditionelle Anwendung von Lindenblütentee bei Kindern und diskutiert die Empfehlungen der EMA, die aufgrund fehlender Daten zur Vorsicht bei Kindern unter 4 Jahren raten. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9986947/
  4. Mammari, N., et al. (2023). Natural Products for the Prevention and Treatment of Common Cold and Viral Respiratory Infections. Pharmaceuticals, 16(5), 662. Dieser umfassende Review-Artikel bietet einen breiten Überblick über verschiedene Naturprodukte bei Erkältungen und bestätigt die wissenschaftliche Rationale für die Verwendung von Thymian, Holunder und Linde. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10220542/